ODER DER WEG, DER VOM TOD ODER VOM EXIL ERLÖST,
von Louis Cattiaux
erforscht hauptsächlich gemäß der Unterrichtung der Wiedergefundenen Botschaft
„Der Heilige bindet die Seele und den Geist in Gott und er überwindet den zweiten Tod“.
„Der Weise bindet die Seele, den Geist und den Körper in Gott und er überwindet den ersten und den zweiten Tod“.
(DIE Wiedergefundene Botschaft (hiernach: WB)- XXIII, 77 + 77’)
Derart ist der glorreiche Körper der Auferstehung!
Der folgende Text wurde von Charles d’Hooghvorst am 30. November 2001 anlässlich einer Konferenz in der Buchhandlung ALMIRALL in Barcelona vorgetragen. Diese beiden Pfade sind nicht alternativ, sondern sukzessiv, wie wir sehen werden.
Die Ahnung von einem ursprünglichen Fall der Natur und des Menschen ist in allen Traditionen präsent und niemand kann die (daraus resultierenden) Folgen leugnen: Leid(en), Krankheit, Alter und Tod.
Jede Suche nach der Gottheit impliziert die Anerkennung dieser fundamentalen Vorstellung einer Verkörperung auf einer mit Tod gemischten Erde; auf einer Erde des Exils nach dem Bildnis der in Ägypten zu Sklaven gewordenen Israeliten, die dort zu aller Art niederen Arbeiten unterjocht waren ohne eine andere Finalität als den Tod.
Hätten wir nicht besser daran getan, in jener Unbewusstheit des Grossen Alles zu bleiben, statt uns zu verkörpern, d. h. statt danach zu begehren diesen unvollkommenen, zur Verwesung vorbestimmten Körper zu erhalten und alle daraus resultierenden Konsequenzen zu erleiden?
Es lohnt sich, diese Frage zu stellen, jedoch ist die Antwort darauf negativ; bemerken wir nicht, dass sich der Geist ohne den Körper und ohne die Sinne weder manifestieren, noch ausdrücken kann? Die gesamte äußere Natur beweist uns, dass der Universelle Geist, die WELTENSEELE, einen irdischen Samen benötigt, um sich zu manifestieren. Erst dann stellt dieser Geist aller Art Spezies her in den drei Reichen: im mineralen, vegetativen und animalischen.
Die Natur neigt stets dazu, sich zu verkörpern. Wenden wir uns einen Augenblick den im Schoße der Erde erzeugten Metallen zu. Was diese erzeugt ist nichts Anderes als ihr himmlisches Pendant, d. h. dieser universelle Geist; universell, weil er hervorgeht aus den sieben Planeten, die in Beziehung stehen zu den sieben Metallen. Diese Planeten ziehen aufgrund ihrer zirkulären Bewegung durch den Zodiak (den Tierkreis) – ständig in dieselbe Richtung. Universell kommt vom Lateinischen uni-versus: was sich in dieselbe Richtung bewegt. Dies nennen die Altväter die Weltenseele, womit sie die Gottheit identifizieren.
Diese Kraft ist jene, die danach verlangt, sich in dieser Welt zu verkörpern; sie ist es, die diese Welt erhält und ernährt; sie ist auch das Leben, das Sonnenlicht.
Nachts legt sich dieser universelle Geist mittels Luftfeuchtigkeit oder Tau auf die Erde nieder. Durch naturgegebenen Magnetismus wird er von jeder Spezies angezogen und er verkörpert sich in ihnen, indem er sie wachsen und gedeihen lässt.
Morgens steigt der Geist, der nicht (von den Spezies) angezogen wurde, wieder nach oben aufgrund der Wärme der Sonne; und der Teil dieses Geistes, der zurückgehalten wurde – z. B. von den Wurzeln der Pflanzen – wird ebenfalls hoch gezogen, jedoch in den vegetativen Stängeln, Stämmen oder Knospen, indem er sie so wachsen und gedeihen lässt.
Das Geheimnis der Weisen scheint dieser universelle Geist zu sein, den man, wie sie sagen, im Frühjahr einsammeln muss, wenn er am üppigsten ist; aber man muss ihn einsammeln bevor er sich mit den Gemischten der drei Reiche vermengt hat.
Er ist extrem flüchtig und beim geringsten Lichteinfall flieht er. Nehmen wir einmal an, man schafft es, eine kleine Menge dieses Geistes einzufangen, was müsste man dann tun? – Es wird gesagt, er müsse in dieser unteren Welt vereint werden mit dem Festen (le fixe) seiner selben Art, d.h. mit einem gänzlich reinen Körper. – Jedoch, in dieser niederen Welt gibt es keinen gänzlich reinen Körper. Was also tun?
Es scheint, dass man diesen (irdischen) Körper gleicher Natur auflösen und reinigen muss, um ihn so für den universellen Geist tauglich zu machen, damit er keimen und Frucht bringen kann.
Dieser Geist wünscht ununterbrochen, sich in der Erde zu verkörpern. Er ist also zeugend, aber: er ist auch zerstörend, denn es ist dieser selbe universelle Geist der am Ende jede seiner (gemischten) Schöpfungen wieder zerstört, denn die ursprüngliche paradiesische Erde ist vergiftet worden durch das Gemisch, welches im Moment des Sündenfalls unserer ersten Eltern vom Feind eingeführt wurde. Diese Erde trägt also den Keim ihrer Fäulnis oder Verderbnis in sich.
Derart ist diese Welt der Zeugung und der Verwesung, in die wir im Moment unserer Geburt hineingetaucht wurden; die göttliche Bestimmung des Menschen, die anfangs vorgesehen war, wurde eingefroren und sie wurde ersetzt durch ein Schicksal ohne Finalität, ein der blinden Macht der Gestirne unterworfenes Schicksal.
Der Geist sucht also ständig danach, sich zu verkörpern; der Wunsch nach einem Körper ist also genau das, was uns angetrieben hat, uns zu verkörpern auf dieser Erde des Exils. Jedoch ist es ein animalischer Körper mit vulgären Sinnen den wir erworben haben. Damit wir regeneriert werden können, müssen unsere Sinne gewaschen, besänftigt und gereinigt werden durch eine Segnung. Derart ist der Schatz, den wir im Exil Gelegenheit erhalten zu finden und kennen zu lernen.
Deshalb sagt Die Wiedergefundene Botschaft:
„Der Fall des Menschen hat ein göttlich erhabenes Ziel, welches die Erwerbung eines Basis-Körpers und dessen Glorifizierung in Gott ist.“ (DIE W B – XXV;49)
Die Schlange hatte es wohl zu EVA gesagt: „Nein, ihr werdet nicht sterben, aber Gott weiß, dass sich an dem Tag, an dem ihr davon essen werdet, eure Augen öffnen werden und ihr sein werdet wie Gott.“
Jedoch hat sie sich wohl gehütet Eva über den zuvor zu zahlenden Preis zu informieren bevor der Zustand gottgleich zu werden erreicht wird. – Dieser Preis besteht aus all den Prüfungen, die das Exil uns auferlegt, um uns zu lehren, dass wir uns auf einer fremden Erde befinden, die nicht unsere Heimat ist.
Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass der göttliche Same, den wir noch in uns tragen, nicht keimt, weil wir uns so zu sagen im Winter auf einer fremden Erde befinden. Dieser winterliche Frost erschafft die Hölle auf Erden. Durch diesen Frost wurde unsere an die Sinne gebundene Seele festgemacht an den drei Reichen: dem mineralen, dem vegetativen und dem animalischen, auf deren Kruste sie kriecht, denn sie sind die Lebenssubstanzen ihres (irdischen) Lebens, doch diese Lebens-Mittel sind vermischt mit Verwesungsstoffen. Unsere so angebundene Seele seufzt und jammert im Exil in Unzufriedenheit, weil sie sich nach einem ETWAS sehnt.
Gemälde von Louis Cattiaux
An diesem Punkt muss unbedingt das Studium der Schriften einsetzen, das heißt, das Studium der Worte der Weisen und der Propheten, die uns den tiefen Sinn des Mysteriums der Inkarnation und folglich der Regeneration lehren. – Denn, wenn Studium und Tradition hier nicht intervenieren, so werden wir der natürlichen Neigung aller Geister folgen, die darin besteht zum „vorher gekannten“ Grossen Alles zurückzukehren. – Letzteres ist die Mystik oder die so genannte spirituelle Realisierung, denn das einzige Begehren unseres Geistes besteht darin, zu einem Zustand der Seligkeit zurück zu kehren, von dem unserem Geist eine vage Erinnerung verblieben ist, die aber eine Sinnen-lose Seligkeit ist, also eine ´´von-Sinnen-Seligkeit„, eben weil wir uns von diesen Sinnen befreien wollen, die stinken und die uns peinigen. Dies ist es, was uns mittels einer Askese eine ganze Serie spiritueller Schulen vorschlagen: dies sind aber Realisierungen, die vom Geist des Menschen ausgeführt werden. – Eine andere Version dieser Tendenz bestünde noch darin, unsere Sinne ans Kreuz der Disziplin oder der asketischen Moral zu schlagen.
*
´´Es gibt zwei Wege zurück zu Gott: entweder die Auflösung im universellen und freien Leben oder die Koagulation in ihm.
Der erste Weg wird von vielen gelehrt und von einigen realisiert. – Der zweite Weg wird von einigen gelehrt und von sehr wenigen realisiert.
Wer sie trennt, ist unwissend
Wer sie vereint, ist weise.„ (DIE WB XXVI, 13, 13’ + 13’’)
So besteht der erste Weg zurück zu Gott wohl in der Auflösung im universellen und freien Leben, den man jedoch nicht mit der oben beschriebenen mystischen Realisierung verwechseln darf; einer Realisierung, die man, wie gesagt, mittels einer Askese oder durch natürliche Veranlagung erreicht, selbst wenn diese manchmal erstaunliche Kräfte ergeben kann; aber dieser Art Manifestierungen werden stets vom Menschen bewirkt – vergessen wir das nicht: deshalb sind sie vorübergehend und von kurzer Dauer und somit substanzlos!
Dagegen ist dieser erste Weg der Auflösung von dem die WB spricht, die Frucht einer göttlichen Initiation – was etwas völlig Anderes ist! Dies ist nämlich der Beginn des Werkes der Regeneration. Dieser Weg ist spirituell und selbst mystisch – wenn man so will – aber unter der Bedingung das Wort ´MYSTIK in seinem etymologischen Sinne zu verstehen, das heißt, im Sinne von EINWEIHUNG IN DIE MYSTERIEN. Auf Griechisch bedeutet mysticos: was die Mysterien betrifft und mystes: eingeweiht in die Mysterien.
Die Initiation ist das Erwachen dieses göttlichen Samens, der im Menschen eingefroren ist, bewirkt durch ein ETWAS, das außerhalb des Menschen ist und das nicht in der Macht des Menschen liegt. – Das Studium des WORTES unseres Meisters HERMES-CHRISTUS und vor allen Dingen das Gebet können dazu beitragen, dieses äußere Mittel zu erlangen, ohne das nichts stattfinden kann.
Einige der Namen dieses Mittels sind: ISIS, die WEISHEIT, HIMMLISCHE MUTTER, stilles GENIE DER SCHRIFTEN (der Heilige Geist, der die Weisheit gibt). Sie repräsentieren das, was die Alchymisten das Volatile, das Flüchtige nennen. – Andererseits nennen sie den in der Natur dieser Welt vergrabenen Samen das Feste (le fixe). So muss man sich also am Anfang an den Himmel wenden; es ist die himmlische Dame, die man anrufen muss, denn sie ist intelligent und sie hört die Gebete, die man an sie richtet.
Wir können also sagen, dass dieser erste Weg zurück zu Gott die Initial-Etappe, nämlich die spirituelle Realisierung ist, die zur Erleuchtung führt, vielleicht das, was die Orientalen das NIRVANA nennen. Der Schüler oder Jünger befindet sich schon in Gott. Aber nur im Geiste.
Die WB präzisiert:
„Einige erlangen hier unten die geistige Erleuchtung vom Herrn des Lebens und wir nennen sie glückselig“….-… „Das ist die Rückkehr zum freien, in Bewegung befindlichen und unkonditionierten Zustand in Gott. Das sind die Erlösten Gottes“. (DIE WB, 42+43’)
Steigt der Mensch während dieser Operation aus dieser verborgenen Welt wieder heraus so wird er zum FEUERTRÄGER und dies ist das Stadium der Reinigung durch das Feuer, die von selbst geschieht.
René Guenon erklärte – indem er die Alchemie von den Vulgair-Alchemisten oder den so genannten Bläsern trennen wollte – die wahre Alchemie sei nur spiritueller und nicht materieller Art. – Dagegen wollen die Jünger des Hermes der Schöpfung helfen, sich in ihrer Totalität zu vollenden, statt auf halbem Wege stehen zu bleiben wozu die Spirituellen tendieren.
Nach der Reinigung durch das Feuer (d. h. Nach der Purifikation) und nach langer Garung erreicht der Jünger das Adeptat: die Auferstehung des Körpers. Der Adept erreicht also die Meisterschaft des verloren gegangenen Paradieses, den Lebensbaum, der inmitten des Gartens EDEN steht, dessen Früchte das prophetische WORT sind, das all seinen gebrechlichen Brüdern Heilung und Heil zurückbringt und nicht nur spirituell, sondern auch körperlich.
Sich hierauf beziehend sagt die WB:
„Der Heilige bindet die Seele und den Geist in Gott und er überwindet den zweiten Tod“.
„Der Weise bindet die Seele, den Geist und den Körper in Gott und er überwindet den ersten und den zweiten Tod“. (DIE WB XXIII, 77 + 77’)
Derart ist der glorreiche Körper der Auferstehung!
Abschließend werden wir bezüglich der beiden Pfade oder Wege der Rückkehr zu Gott das Resümee lesen, welches uns die WB anbietet:
„Sind die beiden Wege dort nicht weise verschlungen, um den Baum des Lebens zu formen, anstatt profan getrennt zu sein, um tote Krücken zu ergeben?“ (DIE WB XXXI, 30)
„Ist nicht das Licht des Lebens aus der Vereinigung des Himmels und der Erde hervorgegangen? Und finden sich die beiden Wege Gottes nicht wundersam vereint in ihm allein“?
„Die Profanen kennen sie alle beide nicht, die Halb-Unterwiesenen trennen sie und stellen sie gegeneinander; allein die Weisen tragen sie zusammen und vereinigen sie in der Einheit Gottes“. (DIE WB XXXI, 41+41’)
Gemälde von Louis Cattiaux